Wissenswertes zur Behandlung des fortgeschrittenen idiopathischen Morbus Parkinson
Was ist Morbus Parkinson
Morbus Parkinson, auch Parkinson-Krankheit genannt, ist eine chronische, langsam fortschreitende Erkrankung des Gehirns. Dabei kommt es zu einem Mangel des sogenannten Botenstoffes Dopamin, der für die Steuerung von Bewegungsabläufen notwendig ist. Die ersten Frühzeichen sind oft sehr unspezifisch und es vergehen oft Jahre bis zur vollen Ausprägung der Symptome und zur Diagnose der Erkrankung. In der Regel wird Morbus Parkinson zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr diagnostiziert.
Morbus Parkinson zeichnet sich durch eine Vielzahl möglicher Beschwerden aus. In den meisten Fällen treten die ersten Symptome schleichend auf und können sich individuell stark unterscheiden. Die meisten der Betroffenen weisen die vier typischen Hauptsymptome von Morbus Parkinson auf. Zu den Hauptsymptome zählen die Störung der Haltungsstabilität, die Bewegungsverlangsamung (Bradykinese), die Muskelsteifheit (Rigor) und das Muskelzittern in Ruheposition (Tremor). Das Fortschreiten der Parkinson-Krankheit führt zu einer kontinuierlichen Verstärkung der einzelnen Symptome. Zudem können verschiedene Symptome gemeinsam in Erscheinung treten.
Verlauf der Krankheit
Morbus Parkinson schreitet stetig voran. Der individuelle Verlauf der Erkrankung kann nicht mit Sicherheit vorhergesagt werden. Moderne Medikamente können die Lebensqualität lange Zeit deutlich verbessern und ermöglichen ein längeres, selbständiges Leben. Viele Patienten können noch über viele Jahre nach der Diagnose ein normales, fast uneingeschränktes Leben führen. Allerdings müssen dafür die Medikamente immer neu angepasst und eingestellt werden.
Behandlung von Morbus Parkinson
Die typischen Parkinson-Symptome werden durch einen Mangel des Botenstoffes Dopamin im Gehirn ausgelöst. Daher zielen viele Behandlungen darauf ab, diesen Botenstoff in Medikamentenform entweder wieder zuzuführen oder den Abbau von L-Dopa bzw. Dopamin zu verhindern.
In beiden Fällen wird der Dopaminmangel ausgeglichen und die Beschwerden werden gelindert. Allerdings kann das weitere Absterben der Nervenzellen und somit das Fortschreiten der Erkrankung nicht verhindert werden.
In der Frühphase der Parkinson-Krankheit lassen sich die o.g. motorischen Kardinalsymptome meistens gut durch die sogenannte dopaminerge Medikation entweder in Form einer Mono- oder Kombinationstherapie behandeln:
- L-Dopa oder Levodopa
- Dopamin-Agonisten
- MAO-B-Hemmer
- Amantadin
Da Morbus Parkinson allerdings voranschreitet, sind im Verlauf der Erkrankung immer wieder Anpassungen der Therapie und/oder der Dosierungen nötig, um die bestmögliche Therapiewirkung zu erreichen. Mit zunehmender Erkrankungs- und Therapiedauer steigt daher auch die Wahrscheinlichkeit, motorische Komplikationen in Form von Wirkfluktuationen (Schwankungen in der Wirkung (ON-OFF-Fluktuationen)) und sogenannter medikamentös induzierter Dyskinesien (Störungen des Bewegungsablaufs) zu erleiden.
Diesen Parkinson-Erkrankten kann dann durch sogenannte „gerätegestützte Therapien“ wie Medikamentenpumpen oder der tiefen Hirnstimulation (THS) geholfen werden.
Wann und warum sollte eine Parkinsontherapie umgestellt werden?
Mit fortschreitender Erkrankung nimmt die Zahl der dopaminproduzierenden Nervenzellen im Gehirn stetig ab. Es kommt zu einer Verschlechterung der Symptome, die eine Anpassung der Therapie notwendig machen. Aufgrund von Schluckproblemen oder einer verzögerten Magenentleerung kann der Wirkeintritt der Tabletten zusätzlich verzögert werden. Strategien, um dieser Verzögerung entgegenzuwirken sind: Erhöhung der Dosis, häufigere Einnahme der Medikamente oder eine Kombination mehrerer Wirkstoffe.
Sobald keine befriedigende Kontrolle der Symptome mehr durch eine optimierte orale Medikation möglich ist, bietet sich der Wechsel zu einer gerätegestützten Therapie an. Hier kommen Pumpentherapien und andere nicht-orale Therapien zum Einsatz. Durch die gerätegestützte Behandlung können die Probleme der oralen Medikation umgangen werden und so nachweislich die Lebensqualität der Betroffenen verbessert werden.
Welche gerätegestützten Therapie-Optionen gibt es?
So individuell wie sich die Erkrankung im Laufe der Jahre verändert, sollte auch die Therapie individuell angepasst werden. Dank gerätegestützter Therapien kann man auch Wirkungsschwankungen gut unter Kontrolle bringen. Diese intensivierten Therapieoptionen zielen dabei darauf ab, eine optimale nervale Stimulation im Gehirn herbeizuführen. Auf diese Weise können bei Betroffenen die Selbstständigkeit und Flexibilität erhalten bleiben, Symptome gelindert und so das allgemeine Wohlbefinden unterstützt werden.
Zum jetzigen Zeitpunkt stehen im Wesentlichen drei nicht-orale, gerätegestützte Therapien zur Auswahl:
- Intestinale Infusionstherapie mit Levodopa
- Subkutane Therapie mit Apomorphin
- Tiefe Hirnstimulation
Die gerätegestützten Therapien sind jedoch nicht gleichermaßen für alle Patienten mit Parkinson geeignet. So sollte frühzeitig mit dem behandelnden Arzt individuell abgewogen werden, welche Therapieform am besten passt. Dabei kommt es auf die persönliche Situation des Patienten an, wie beispielsweise das Alter, eine eventuelle kognitive (das Denken betreffend) Beeinträchtigung sowie der Verfügbarkeit eines betreuenden Umfelds, das (falls erforderlich) bei der Bedienung von Geräten aushelfen kann.
Intestinale Infusionstherapie
Mit Hilfe einer Pumpe, die außen am Körper getragen wird, wird der Wirkstoff Levodopa über ein Sondensystem gezielt in den Dünndarm abgegeben. Auf diese Weise können Problematiken einer verzögerten Magenentleerung oder Schluckstörungen umgangen und so eine verbesserte Wirkstoffaufnahme erreicht werden. Über den Blutkreislauf gelangt Levodopa ins Gehirn, wo es die Blut-Hirn-Schranke überwindet und dort in den Nervenzellen zu Dopamin umgewandelt wird. Die gleichmäßige Abgabe von Levodopa sorgt für konstante Levodopa-Spiegel im Blut und damit für eine konstante Stimulation im Gehirn mit wenigen bis gar keinen Wirkschwankungen (Zittern, Unbeweglichkeit, etc.), die bei einer oralen Therapie auftreten können. Häufig kann die orale Medikation stark reduziert oder in manchen Fällen auch vollständig abgesetzt werden. Die Platzierung der Sonde erfolgt während eines kleinen operativen Eingriffes unter Kurzzeitnarkose, ähnlich dem Vorgang bei einer Magenspiegelung. Bevor die Sonde platziert wird, kann die Therapie über eine Nasensonde mit relativ geringem Aufwand getestet werden.
Subkutane Infusionstherapie
Bei der subkutanen Infusionstherapie kommt der Wirkstoff Apomorphin zum Einsatz. Dieser gehört zu den Dopaminagonisten und kann daher im Gehirn die Funktion von Dopamin übernehmen. Da nur ein geringer Teil von Apomorphin über den Magen-Darm-Trakt aufgenommen werden kann, ist Apomorphin für eine orale Medikation ungeeignet. Stattdessen wird Apomorphin mittels einer feinen Nadel unter die Haut (subkutan) injiziert. Dies kann einfach über einen Pen (ähnlich einem Insulin-Pen) bei beginnender schlechter Beweglichkeit oder, bei gehäuften Phasen von schlechter Beweglichkeit, über eine einfach anzulegende Pumpe erfolgen. Durch den anhaltenden Wirkspiegel von Apomorphin im Blut, kann eine gleichmäßig anhaltende Besserung der Symptome erzielt werden. Begleitende Medikamente können unter Umständen reduziert werden. Für die meisten Patienten mit der Apomorphin-Pumpe besteht allerdings weiterhin die Notwendigkeit auch während der Laufzeit der Infusion Levodopa oral einzunehmen. Für das Anlegen der Pumpe ist kein operativer Eingriff erforderlich. Dadurch kann diese Therapie individuell und mit geringem Aufwand getestet werden.
Tiefe Hirnstimulation
Bei der tiefen Hirnstimulation handelt es sich um ein komplexes, neurochirurgisches Verfahren. Aufgrund des größeren operativen Eingriffes u. a. direkt am Gehirn, sind die Therapie-Chancen und Risiken vorher gründlich abzuwägen.
Bei Parkinson herrscht ein Ungleichgewicht zwischen Hemmung und Erregung. Über dünne Elektroden werden gezielt leichte elektrische Impulse an die betroffene Gehirnregion abgegeben. Die Impulse führen zu einer Inaktivierung der Gehirnregion, was motorische Symptome reduzieren kann. Reguliert werden diese Impulse über einen Stimulator, der einem Herzschrittmacher ähnelt. Dieser wird, wie die Elektroden während eines operativen Eingriffes, unter die Haut eingesetzt. Einstellungen werden individuell den Symptomen angepasst und durch den behandelnden Arzt vorgenommen. Der Patient kann nur innerhalb gewisser Grenzen Änderungen der Einstellungen vornehmen. Bei gutem Ansprechen kann diese Therapie eine kontinuierliche Beschwerdelinderung ermöglichen. Eine Unterstützung durch Angehörige ist nicht unbedingt erforderlich. Begleitende Medikamente können unter Umständen reduziert werden.
Angst vor der gerätegestützten Therapie – was nun?
Im Fortschreiten der Erkrankung ist es normal, dass man unsicher und ängstlich neuen Therapien gegenüber ist. Der damit verbundene operative Eingriff, die Technik, all das Neue möchte man natürlich nicht an sich heranlassen, weil man es nicht kennt.
Wichtig zu wissen ist, dass bei all diesen Therapieoptionen von Anfang an fachlich sehr gut geschultes Personal auf Wunsch der Patienten mit dabei ist. In der Klinik wird umfassend geschult und auf das Leben mit einer Pumpe zu Hause vorbereitet. Auch Lebenspartner, Angehörige oder pflegende Personen werden ausgiebig geschult. Die Patienten werden regelmäßig besucht, haben aber auch immer die Möglichkeit, ihre betreuende Nurse oder eine 24-Stunden Hotline zu kontaktieren.
Es besteht auch vor der Therapieentscheidung die Möglichkeit, ein ausführliches Informationsgespräch mit einer Nurse zu führen, um sich alle Fragen beantworten zu lassen. Sicher ist es schwer, diesen Schritt zu gehen, jedoch wird es früher oder später generell schwieriger durch den Alltag zu kommen, wenn eine gerätegestützte Therapie nicht in Betracht gezogen wird. Diese Therapieoptionen bieten ein ganzes Stück Lebensqualität mit mehr Beweglichkeit und Flexibilität im Alltag.
Falls Sie Fragen zu Morbus Parkinson im Allgemeinen, Behandlungsoptionen, Wirkfluktuationen, weiterführenden Therapieoptionen und weiteren Themen rund um Morbus Parkinson haben, steht Ihnen in der Zeit vom 23.01. bis zum 27.01.2023 mit Prof. Wojtecki ein ausgewiesener Parkinson-Experte im E-Mail-Chat unter parksinon@stadapharm.de zur Verfügung.